Interview von Lydia Mutsch mit dem Tageblatt

Lydia Mutsch: "Wo nachgebessert werden muss, wird nachgebessert werden”

Interview: Tageblatt (Robert Schneider)

Tageblatt: Es steht eine große Reform des Spitalwesens an. Was funktioniert nicht in den Krankenhäusern? 

Lydia Mutsch: Das letzte Spitalgesetz, das wir haben, ist 20 Jahre alt. Es besteht kein dringender Handlungsbedarf in dem Sinne, dass etwas nicht funktioniert, aber in den letzten 20 Jahren haben wir einen weiten Weg zurückgelegt. Spitäler fusionierten, der medizinische Fortschritt ist rasant, die demografische Entwicklung ist ein Thema: die Menschen werden älter und entsprechend nehmen die chronischen Krankheiten zu. Allein aus diesen Gründen ist es sinnvoll, eine Reform duchzuführen. 

Bislang wurde der Spitalplan über großherzogliche Reglemente festgelegt; der Staatsrat verlangte allerdings eine neue gesetzliche Grundlage. Deshalb ist es sinnvoll, sich darüber hinaus mit weiteren Aspekten zu beschäftigen, wie eine angemessene Betreuung der Patienten, die Zusammenarbeit zwischen und in den Spitälern zu fördern, sowie andere Punkte des Regierungsprogramms einfließen zu lassen.

So etwa die Führung der Häuser ("gouvernance"), die verbessert werden soll. Dazu gehört auch das Zusammenwirken aller Beteiligten in den Krankenhäusern.In der Konsultationsphase, die sich über ein halbes Jahr erstreckte, wurde von fast allen Beteiligten gefordert, das Zusammenspiel in den Spitälern zu einem Thema zu machen und entsprechende Regeln in das Gesetz einzuschreiben, was ich auch tat.

Tageblatt: Die Ärzte reden allerdings in ihren jüngst veröffentlichten Schreiben u.a. von einer Staatsmedizin, die Sie einführen wollten, und werfen Ihnen vor, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. 

Lydia Mutsch: Es wurden in den letzten Wochen und Monaten schwere Geschütze aufgefahren und viele Schlagworte benutzt. Ich bin nicht der Meinung, dass die Ärzte fundamental dagegen sind, dass in den Spitälern Teamarbeit gemacht werden sollte und dass die Rollen der verschiedenen Akteure im Spital präzisiert werde sollten. Da sollte es wohl keine großen Divergenzen geben. 

Meiner Analyse zufolge ist das Hauptproblem der Ärzte, dass das Zusammenspiel zwischen den Akteuren in den Krankenhäusern über dieses Gesetz präzisiert werden soll und wir von den Ärzten erwarten, dass sie sich im Rahmen einer Reihe von Handlungen stärker untereinander und mit ihren Direktionen abstimmen.

Es gibt ein großherzogliches Reglement aus dem Jahr 2003, in dem die Befugnisse der medizinischen Beiräte ("conseils médicaux") festgehalten sind. An diesem Reglement habe ich ganz bewusst nichts geändert; die Befugnisse bleiben demnach unverändert. Allerdings bin ich der Meinung, zumal die Krankenhäuser heute große Arbeitgeber sind (oft die größten in den jeweiligen Gemeinden), dass elementare Regeln der Organisation und der Betriebsführung gelten müssen. Dies gilt besonders für organisatorische Fragen.

Es wird seitens der Ärzte auch über medizinisches Material geredet: Meine Beweggründe haben keinen ökonomischen Hintergrund.

Die zahlreichen Neuerungen im Gesetz, die neuen Dienste, wie etwa das "Centre national de diagnostique" für genetische Analysen, eine Umweltklinik, ein Kompetenzzentrum zur Schmerztherapie, bedingen personelle und finanzielle Investitionen, die unabdingbar für mich sind.Ich bin demnach nicht von einer Sparlogik beeinflusst, finde aber, dass die Möglichkeiten von Einsparungen beim Kauf von qualitativ hochwertigem medizinischem Material und bei der gemeinsamen Entwicklung von therapeutischen Richtlinien durchaus genutzt werden sollten.

Ich will verhindern, dass es zu große Unterschiede bei medizinischen Produkten gibt, diese sollten einem qualitativ hohen Niveau entsprechen. Mit einigen eventuellen Anpassungen im Gesetzestext, die diese Absichten klarer darstellen, so meine ich, sollte hier ein Einverständnis mit den Ärzten gefunden werden.

Ein zweiter Punkt, den die Ärzte beanstanden, betrifft die Frage der Mitbestimmung.

Hierzu muss gesagt werden, dass wir in Luxemburg zwei Systeme haben. Im CHL ("Centre hospitalier de Luxembourg"), CHNP und „Rehazenter" haben wir Ärzte im Angestelltenverhältnis, in den anderen Häusern gilt ein liberales Arbeitsstatut. Ich stehe vor der Herausforderung, ein Gesetz zu machen, das diese Prämissen, aber auch die Grundpfeiler unserer Gesundheitspolitik (etwa die freie Wahl des Arztes, die therapeutische Freiheit, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient) weiterhin berücksichtigt. Meine Position hierzu ist klar: Auch in jenen Häusern, in denen liberal arbeitende Ärzte beschäftigt sind, müssen Regeln gelten, die jeder respektiert. Zu klären bleibt die Frage der Mitbestimmung der Ärzte in den Spitälern. Bislang ist es bereits so, dass die Ärzte in einer Reihe von Verwaltungsräten der Häuser über ein Stimmrecht verfügen.

Die parlamentarische Kommission muss nun überlegen, wie die Frage der Mitbestimmung zu lösen ist. Der jetzige Gesetzestext sieht den Status quo vor. Die Ärzte meinen aber, dass falls zusätzliche Verpflichtungen ins Gesetz eingeschrieben werden, auch zusätzliche Rechte anerkannt werden müssten. Darüber muss diskutiert werden.

Tageblatt: Mittlerweile verlangt die AMMD die Hälfte der Posten in den Verwaltungsräten, anfangs waren es deren zwei...

Lydia Mutsch: Ja, ich verfolge diese Entwicklungen ebenfalls mit großem Interesse. 

Tageblatt: Ist dies jetzt eine strategische Forderung?


Lydia Mutsch: Dies ist eine der Fragen, die ich am Donnerstag stellen werde. Ich habe meine Dialogbereitschaft ja signalisiert und sehe die AMMD am Donnerstag. In der folgenden Woche treffe ich ebenfalls die Spitalföderation.

Zu einem der Punkte, die in den vergangenen Monaten etwas unklar waren, noch dieses: Die AMMD ist als Interessenvertretung in der legislativen Prozedur nicht vorgesehen, die FHL übrigens auch nicht. Laut Prozedur müssen die Salariatskammer, der "Conseil supérieur des professions de santé" und das "Collège médical" Gutachten abgeben.

Dies bedeutet nicht, dass - wie es manchmal fast angeklungen ist - die AMMD keine Daseinsberechtigung hätte, aber sie ist einfach in der legislativen Prozedur grundsätzlich nicht vorgesehen. Jetzt verhält es sich aber so, dass im Lauf der Konsultationsphase mehrere Gutachten hinzukamen, wie etwa von der AMMD oder vom OGBL oder der Patientenvertretung, und auch der FHL. Diese Gutachten nehme ich auch sehr ernst. Die Parlamentskommission hat diesbezüglich auch alle Informationen, die sie braucht.

Tageblatt: Wie viel Spielraum ist denn noch vorhanden? Der Text, der in der Kommission ist, ist ja eigentlich fertig.

Lydia Mutsch: Wir haben zum Glück eine parlamentarische Kommission, die sich gut eingearbeitet hat und viel sachkundig diskutiert. Manchmal ist dies mühsam, weil wir alles im Detail durchgehen. 

Wir haben aber bereits Nachbesserungen vorgenommen, zum Beispiel was die Dienste betrifft, über die jedes Krankenhaus obligatorisch verfügen muss. Als Ressortministerin stelle ich mich der Diskussion über dieses komplexe Gesetz und freue mich über konstruktive Vorschläge. 

Wo nachgebessert werden muss, wird nachgebessert werden. Wenn z.B. das Wort "Standardisierung" Befürchtungen weckt, dass auf Kosten des Patienten gespart werden soll, wobei lediglich Ungleichheiten in der Behandlung verhindert werden sollen, so besteht die Möglichkeit, dieses Wort aus dem Text zu nehmen oder es besser zu beschreiben. Eine Grundidee darf nicht durch missverständliche Terminologie infrage gestellt werden und die Idee ist, dass ein modernes Spital nur funktionieren kann, wenn dort eine Mannschaftsarbeit stattfindet. 

Dies bedeutet, dass die Rollen von Verwaltungsrat, von Direktion und Ärzteschaft präziser definiert werden und dass die Interaktionen zwischen diesen Gruppen ein Thema sind; genau das habe ich mit diesem Gesetz gemacht.

Tageblatt: Wurde nicht bereits zu viel Porzellan zerbrochen?

Lydia Mutsch: Das Wichtigste ist, dass miteinander gesprochen wird, deshalb nehme ich die beiden anstehenden Unterredungen sehr ernst.

Nicht alles, was gesagt wurde, ist schön. Die Kommunikation der AMMD an die Adresse der Patienten war nicht berechtigt.

Mit der Angst der Menschen soll keine Politik betrieben werden, davon halte ich nichts. Ich nehme der AMMD gerne ab, dass sie ihre Überlegungen im Interesse der Patienten macht; aber das Gleiche tue ich auch.

Jetzt müssen wir ein gemeinsames Verständnis finden, wie wir miteinander die Aussagen, die in den letzten Wochen gemacht wurden, ins rechte Licht setzen; dies liegt mir am Herzen. Meine Tür ist offen, dabei bleibe ich, aber ich bleibe ebenfalls dabei, dass die Verantwortung und die Rechte aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen.


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