"Eine Reform des politisch Machbaren", Mars Di Bartolomeo au sujet de la réforme du système de pension

Luxemburger Wort: Herr Minister, Mitte März haben Sie mit Ihrem Kollegen Luc Frieden die Grundzüge der Rentenreform vorgestellt. Neun Monate später liegt offiziell immer noch kein Gesetzentwurf vor. Wieso dauert das so lange?

Mars Di Bartolomeo: Ich habe dem Ministerrat vor einer Woche den Gesetzentwurf vorgelegt. Auf den ersten Blick hat die Reform lange auf sich warten gelassen. Auf den zweiten Blick war diese Vorlaufzeit aber notwendig. Sie müssen sich nur vor Augen führen, wie die Altersvorsorge in den vergangenen Jahren behandelt wurde. Vor rund zehn Jahren fand der Rententisch statt, dessen Beschlüsse die Ausgaben der Rentenkassen schlagartig um zehn Prozent haben ansteigen lassen. Damals waren allein kurzfristige Überlegungen ausschlaggebend, und wenn seitdem manche vor der drohenden Rentenmauer warnen, dann möchte ich darauf hinweisen, dass die meisten dieser Skeptiker die Beschlüsse des Rententischs mitgetragen, sie also an der Rentenmauer fleißig mitgebaut haben. Mit der Reform entfernen wir uns von diesem kurzfristigen Denken. Dieser Paradigmenwechsel lässt sich nicht von heute auf morgen bewirken. Es braucht seine Zeit, damit er von einer breiten Öffentlichkeit mitgetragen wird.

Luxemburger Wort: Als Sie Ihre Vorschläge Mitte März vorstellten, war die Begeisterung bei den Arbeitgebern, den Gewerkschaften und Ihrer eigenen Partei nicht gerade groß. Woran haben Sie sich bei der Reform orientiert? Am politisch Machbaren oder am rechnerisch Notwendigen?

Mars Di Bartolomeo: An beidem. Man kann eine rein arithmetische Reform machen, die möglicherweise tiefgreifende Einschnitte zur Folge hätte, die politisch aber nicht durchsetzbar und sozial nicht gerecht und ausgewogen wäre. Oder man bettet eine Reform ein in das Luxemburger Modell des Sozialdialogs und trägt dem politisch Machbaren Rechnung. Das haben wir getan. Im Ausland werden die Rentenreformen dann gemacht, wenn der Super-Gau bereits eingetreten ist. Wir machen eine Reform, obwohl unsere Rücklagen bei fast dem Vierfachen der jährlichen Ausgaben liegen und obwohl die Beiträge drei Prozent über dem tatsächlich Notwendigen liegen. Wir haben keine Vollbremsung nötig, wir leiten einen sanften und progressiven Übergang ein zu einer nachhaltig abgesicherten Altersvorsorge. Ein jeder wird einen gleichberechtigten und verkraftbaren Beitrag zu dieser Reform leisten müssen.

Luxemburger Wort: Sie gehen von einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent und einem Beschäftigungszuwachs von 1,5 Prozent aus. In der Vergangenheit mag die Konjunktur diese Werte erwirtschaftet haben, in der Vergangenheit hat es aber auch keine vergleichbaren Krisen gegeben.

Mars Di Bartolomeo: Und die Stahikrise der 80er-Jahre, als gleich mehrere 10.000 Arbeitsplätze auf der Kippe standen? Ich glaube nicht, dass die Konjunkturprognosen mittelfristig unrealistisch angesetzt sind; sie liegen sogar noch stark unter den Werten, die im Durchschnitt in den vergangenen 40 Jahren erwirtschaftet wurden. Wenn wir nicht daran arbeiten, dass unsere Wirtschaft in Zukunft wächst, können wir gleich kapitulieren. Diese Regierung stellt sich hingegen den Realitäten und geht die Probleme bewusst an. Das gilt auch für die Rentenreform, und zwar ohne dass wir die bewährten Vorteile wie das Solidaritätsprinzip, die dreigliedrige Finanzierung oder die Eintrittsbedingungen grundsätzlich ändern.

Luxemburger Wort: Stichwort Solidarität: Ist es gerecht, wenn zunächst nur der aktiven Bevölkerung Opfer abverlangt werden? Die Beschäftigten von heute werden länger arbeiten müssen, die Rentner von heute bleiben zunächst verschont.

Mars Di Bartolomeo: Die Regierung hat mir den Auftrag gegeben, die bereits erworbenen Rechte zu wahren. Dazu gehört das Renten-Ajustement. Darüberhinaus dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die Beschäftigten von heute viel mehr verdienen als es die Rentner von heute in ihrer aktiven Zeit taten. Außerdem werden den Beschäftigten von heute wegen der gestiegenen Lebenserwartung die Renten viel länger ausbezahlt; insgesamt steigen also ihre Rentenbezüge, und das soll sich zu einem gewissen Teil ausgleichen, indem die Lebensarbeitszeit progressiv verlängert wird. Damit diese Rechnung aufgeht, müssen die Arbeitgeber natürlich mitziehen. Die Patronatsverbände können nicht einerseits lauthals ein höheres Renteneintrittsalter fordern, andererseits aber klammheimlich die älteren Mitarbeiter aus den Unternehmen drängen. Beim Pakt für die älteren Arbeitnehmer wird es also darum gehen, einen Mentalitätswandel in der Arbeitswelt zu bewirken, aber auch die Arbeitgeber durch bindende Regeln in die Pflicht zu nehmen.

Luxemburger Wort: Mit den Rentenreserven wollen Sie die Zeit überbrücken, bis dass die Reform voll greift. Wird sich dadurch das Defizit des Gesamtstaats erhöhen, das derzeit nur wegen des Überschusses der Rentenversicherung einigermaßen im Rahmen bleibt?

Mars Di Bartolomeo: Ich bin ein Verfechter von ausgeglichenen öffentlichen Finanzen. Uns muss es gelingen, dass sowohl der Staatshaushalt wie insgesamt die Sozialversicherung im Gleichgewicht sind. Ohnehin wäre unsere soziale Sicherheit schon längst im Minus, wenn der Staat sie nicht mit jährlich über zwei Milliarden Euro unterstützen würde.

Luxemburger Wort: Es ist schon seltsam: Sie wollen die älteren Arbeitnehmer in den Unternehmen halten, gleichzeitig sagt Ihr Parteifreund Jeannot Krecké: "Mit 62 Jahren ist Schluss."

Mars Di Bartolomeo: Mit 62 Jahren liegt Jeannot Krecké immerhin drei Jahre über dem Alter, mit dem die Luxemburger derzeit im Durchschnitt in Rente gehen. Würde das tatsächliche Rentenalter der aktiven Bevölkerung bei 62 Jahren liegen, hätten wir so manches Problem gelöst.

Luxemburger Wort: Sie haben nun einige größere Reformen hinter sich. Was machen Sie eigentlich den Rest der Legislaturperiode?

Mars Di Bartolomeo: Also in Rente gehen werde ich mit Sicherheit nicht (lacht). Ich werde die Pflegeversicherung bilanzieren und dafür Sorge tragen, dass auch diese langfristig abgesichert bleibt. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass ich mit dem Einheitsstatut, der Reform der Unfallversicherung, der Gesundheitsreform und der Rentenreform vier große Strukturreformen in die Wege geleitet habe. In dieser Hinsicht habe ich mir von niemandem Lektionen erteilen zu lassen, schon gar nicht von jenen, die mit den Beschlüssen der vergangenen Jahre unsere Versicherungssysteme zusätzlich belastet haben und an notwendigen Strukturreformen rein gar nichts aufzuweisen haben.

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