Interview mit Martine Deprez im Tageblatt

"Das Interesse an Liberalisierung scheint eher gering zu sein"

Interview: Tageblatt (Sidney Wiltgen, Julian Dörr)

Tageblatt: Vor ein paar Wochen waren Sie noch Lehrerin. Was machen Sie lieber? Mathe oder Politik?

Martine Deprez: Das liegt gar nicht so weit auseinander. In beiden muss man analysieren, man muss Probleme kennenlernen und dann eine Lösung finden.

Tageblatt: Sie sind Ministerin für Gesundheit und soziale Sicherheit. Welches Ressort ist arbeitsintensiver?

Martine Deprez: Es gibt nur noch ein Ressort: "santé et sécu". Das war auch meine Voraussetzung, um diesen Job zu übernehmen. Das eine ohne das andere macht nicht viel Sinn. Wenn ich auf der einen Seite versuche, das umzusetzen, was die Menschen brauchen, damit niemand durch das soziale Netz fällt, damit alle gesund bleiben, gesund werden - und ich habe auf der anderen Seite nicht das nötige Geld, dann kann das nicht funktionieren. Dann hätte ich einen Ministerkollegen, mit dem ich ständig diskutieren müsste. So liegt alles in einer Hand.

Tageblatt: Sie wären also nicht "nur" Ministerin für soziale Sicherheit oder Gesundheit geworden?

Martine Deprez: Ich denke, dann hätte ich Nein gesagt. Den Luxus konnte ich mir leisten.

Tageblatt: Die Reform des Rentensystems wird ein Thema in diesem Jahr werden. Premier Frieden sprach in seinem Neujahrsinterview von einer grundsätzlichen Debatte, von einem weißen Blatt Papier als Startpunkt. Sind Sie mit ihm auf einer Linie?

Martine Deprez: Ich wäre nicht Teil seines Teams geworden, wenn ich das nicht so sehen würde. Ich finde es spannend, mir etwas vorzustellen, als gäbe es noch gar nichts. Natürlich kann man das, was da ist, nicht einfach so vom Tisch wischen. Darauf muss aufgebaut werden. Aber dabei kann man kreativ sein: Was könnte möglicherweise noch eine Alternative sein?

Tageblatt: Im Koalitionsvertrag ist die Rede von einer "large consultation", einer großen Anhörung. Einen Rententisch soll es aber nicht geben. Wer soll teilnehmen an der Debatte?

Martine Deprez: Das System hat drei Säulen. Für die erste sind die Sozialpartner zuständig, die müssen also auf jeden Fall am Tisch sitzen. Aber nicht nur die. Es geht auch darum, die aktuellen Rentner mit ins Gespräch zu bringen. Und die Akteure, die wissen, wie lange man den Leuten zumuten kann, zu arbeiten. Man muss auch schauen, was alternative Finanzierungsquellen sein könnten. Damit sind wir bei der zweiten und dritten Säule. Da gehört dann der ganze Banken- und Versicherungssektor dazu, die Steuern, der Finanzminister. Das sind viele Akteure, die an so einem großen Haus mitbauen müssen.

Tageblatt: Im Koalitionsvertrag steht, dass die erste Säule gestärkt werden soll. Gleichzeitig soll aber auch die Nachfrage nach der zweiten und dritten Säule, der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge, durch Steuererleichterungen gesteigert werden. Ist das nicht ein Widerspruch?

Martine Deprez: Die erste Säule zu stärken, heißt nicht, jedem mit der ersten Säule mehr zu geben. Es bedeutet, die erste Säule so zu arrangieren, dass sie sicher auf den Füßen steht. Und dass die Leute, die keine Möglichkeit haben, sich neben ihrer Arbeit etwas aufzubauen, am Ende mit der ersten Säule genug Rente bekommen.

Tageblatt: Die erste Säule soll also reichen müssen?

Martine Deprez: Genau. Was die zweite und dritte Säule angeht: Bei den Menschen, die es sich leisten können, parallel selbst etwas aufzubauen, können wir vielleicht über die erste Säule nicht mehr ganz so viel versprechen. Da wird dann ein Markt aufgemacht. Für eine Zusatzpension vielleicht, eine Lebensversicherung oder Fonds. Das kann aber auch bedeuten, dass sich jemand eine Wohnung kauft und sie dann wieder verkauft, wenn er in Rente geht. Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Tageblatt: Die Zukunft des Rentensystems liegt also zumindest teilweise in der Liberalisierung?

Martine Deprez: Das kommt darauf an, was man als Rentensystem versteht. Ich habe keinen Einfluss auf den Privatsektor, welchen Markt sie anbieten können. Aber eine Architektur, die man andenken könnte, ist die, dass ein Teil der Bedarfe der Gesellschaft, um auf demselben Niveau versichert zu sein, auf dem man versichert war, als man aktiv war, in den liberalen Sektor übergehen könnte.

Tageblatt: In den ersten Sitzungen der Chamber-Kommission zu Gesundheit und sozialer Sicherheit gab es viel Kritik aus der Opposition. Marc Baum ("déi Lénk") sprach vom "Ende der Universalversicherung". Können Sie diese Bedenken hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit verstehen?

Martine Deprez: Verstehen kann ich sie, wenn man nicht richtig hinhört. Wenn man nur mitbekommt, dass wir die zweite und dritte Säule stärken, dann kann ich mir vorstellen, dass man diese Reaktion hat. Ich habe aber gesagt: Wir stärken die zweite und dritte Säule und sorgen dafür, dass die erste Säule mindestens das liefert, was Menschen brauchen, die sich keine zweite oder dritte Säule leisten können. Ich verstehe die Aufregung nicht. Das müsste eigentlich im Sinn der Leute sein, die da ein bisschen härter geschossen haben. Das ist ein gesellschaftliches System, das versucht, an der ersten Säule die Ungleichheiten aus dem aktiven Arbeitsleben ein bisschen abzufedern. Die Leute, die sich nicht selbst etwas aufbauen können, haben die Garantie, dass sie genug bekommen. Und die anderen müssen in Verantwortung genommen werden und sich selbst ein bisschen versichern.

Tageblatt: Geht das nicht auch Hand in Hand mit Problemen wie Altersarmut? Noch steht Luxemburg gut da, das Risiko, in Altersarmut zu rutschen, hat sich aber laut Eurostat in den letzten Jahren verdoppelt. Wie muss die erste Säule gestärkt werden, damit alle im Alter genug haben?

Martine Deprez: Wenn man hier im Land 40 Jahre gearbeitet hat, steht einem eine Minimalpension zu. Die Minimalpension liegt ungefähr bei 80, 90 Prozent des Mindestlohns. Das heißt, wenn wir von Altersarmut sprechen, sind wir auch gleich beim Mindestlohn. Wenn es mit dem Mindestlohn nicht reicht, dann reicht es auch mit der Minimalpension nicht. Das ist kein Problem des Rentensystems, das ist ein Problem der Gesellschaft. Dieses Problem kann man nicht auf der Ebene des Rentensystems diskutieren, das muss man mit der ganzen Gesellschaft diskutieren. Was ist das, was man in Luxemburg zum Leben braucht? Und wie können wir das garantieren, dass jeder, der in Luxemburg lebt, das auch hat? Das ist ein Thema für die ganze Regierung.

Tageblatt: Es gibt bei der Rente drei Stellschrauben, an denen gedreht werden kann: die ausgezahlten Leistungen, die zu leistenden Beiträge und die Lebensarbeitszeit. An welcher Schraube würden Sie zuerst drehen?

Martine Deprez: 2012 ist schon an den Schrauben gedreht worden. Die Schrauben wurden nur so gedreht, dass sie über 40 Jahre aktiv sind. D.h. es dauert 40 Jahre bis das kommt, was Leute diskutiert haben und worüber sie sich einig waren, dass es kommen muss. In diesem Moment müsste man eigentlich nicht viel tun, um bereits kurzfristig etwas zu bewirken. Wir könnten die Schrauben einfach schon früher wirken lassen. Das bedeutet, dass wir die Maßnahmen nicht bis 2052 laufen lassen, sondern wir sagen, dass wir bereits 2040 oder 2032 dort sind, wo wir ursprünglich erst 2052 sein wollten. Dann haben wir noch weitere Schritte eingebaut, wie beispielsweise die Rentenanpassung an die Reallöhne auszusetzen. Das könnte man ganz kurzfristig machen, wenn sich bestätigen würde, dass wir 2027 in ein Defizit fallen. Das würde dann bedeuten, die Leistungen runterzusetzen - aber nur für zukünftige Leistungen und nur für die Jahre, die noch kommen.

Tageblatt: Der CSL-Direktor Sylvain Hoffmann hat im Tageblatt-Interview gesagt, dass er die Vorhersagen der IGSS nicht teilt, weil die sich in der Vergangenheit als zu pessimistisch erwiesen haben. Hoffmann schlägt vor, eher auf die Rentenreserven zurückzugreifen, als die Rentenanpassung zu manipulieren. Wie sehen Sie das?

Martine Deprez: Das ist im System sowieso vorgesehen. Wenn die Ausgaben höher werden als die Einnahmen, dann wird auf die Reserve zurückgegriffen, denn so schnell ist die Rentenanpassung nicht ausgesetzt. Wenn wir sehen, dass es in einem Jahr nicht reicht, muss dieses Loch ja gestopft werden. Dann wird schon auf die Reserven zurückgegriffen. Wenn wir aber auf die Rentenreserven zurückgreifen und die Anpassung nicht machen, dann geht das exponentiell - nicht linear. Da kommt weniger Geld über die Reserve und es geht immer schneller. Dafür ist der kreative Mechanismus der Rentenanpassung gemacht worden. Dann hat man nämlich ein, zwei Jahre Zeit zu überlegen, was man darüber hinaus noch machen könnte. Das war ganz kreativ von den Leuten, die 2012 am Ruder waren.

Tageblatt: Im Bereich der Gesundheitskasse war die direkte Sofortzahlung ("paiement immédiat direct", PID) in der Vergangenheit ein heikles Thema. Wie ist da der Stand?

Martine Deprez: Bislang sind es 15 Allgemeinmediziner, die das Programm nutzen. Es gibt einen Anreiz: Die Firma, die das installiert, bekommt um die 600 Euro. Aber auch das scheint niemanden zu bewegen, das zu machen. In den wenigen Wochen, in denen ich hier bin, habe ich den Eindruck, dass das Thema ein rotes Tuch ist. Wo keiner dem anderen mehr vertraut. Weil da von Anfang an so viel schiefgelaufen ist. Ich bin dabei, das Dossier von hinten aufzurollen, d.h. wieder Vertrauen zu schaffen. Ich hatte eine erste Besprechung mit der Ärztevereinigung AMMD, eine zweite folgt Ende Januar. Ich hoffe, dass wir die Vertrauensbasis wieder herstellen können und eine Lösung finden für das Problem, das auf dem Tisch liegt. Dabei geht es um eine (Anm. 1 d. Red.: zum PID alternative) Anwendung, die die AMMD entwickelt hat. Wenn wir dieses Dossier aus der Welt schaffen und wieder Vertrauen aufbauen können, dann läuft das andere auch.

Tageblatt: AMMD in die Lösung mit eingebunden wird?

Martine Deprez: Ich hoffe es. In der ein oder anderen Form. Ich hoffe, dass wir die Arbeit, die geleistet wurde, irgendwie honorieren können. Sie müssen verstehen, dass ich dazu aber im Moment nicht mehr sagen kann.

Tageblatt: Im Juni des vergangenen Jahres hat Paulette Lenert (LSAP), Ihre Vorgängerin im Gesundheitsministerium, einen "Plan national de santé" vorgestellt. Darüber steht nichts mehr im neuen Koalitionsvertrag. Wird es Kontinuitäten geben?

Martine Deprez: Es steht nicht nichts drin. Im Koalitionsvertrag steht, dass die nationalen Aktionspläne zusammen mit der Gesundheitsdirektion auf ihre Laufzeit, Kosten und ihre Wirksamkeit geprüft werden. Dann schauen wir, ob diese weitergeführt, weiterentwickelt oder überhaupt erst anlaufen sollen. Der "Plan national de santé" ist noch sehr neu und wird nicht einfach beiseite-gelegt werden.

Tageblatt: Das Gesetz zur ambulanten Wende soll ebenfalls überarbeitet werden. Einige Akteure fürchten bereits, dass die Krankenhäuser mit den Dienstleistungen und Prozeduren zurückgelassen werden, die nicht rentabel sind. Wie begegnen Sie diesen Befürchtungen?

Martine Deprez: Dann müsste ich diese ja bezahlen. (lacht) Aber Spaß beiseite: Diese Gesetzesänderung stellt für mich keine ambulante Wende dar. Ambulant bedeutet ja eigentlich nur, dass man morgens zur Behandlung erscheint und abends wieder nach Hause gehen kann. Das kann sowohl in einem Krankenhaus als auch in einer anderen Struktur der Fall sein. Deshalb sprechen wir nicht von einer ambulanten Wende, sondern definieren die Aktivitäten, die nicht unbedingt in einem Krankenhaus stattfinden müssen. "Dat heescht awer net, dass déi komplett liberaliséiert op der gringer Wiss gemaach ginn."

Tageblatt: Das bedeutet?

Martine Deprez: Ein Eingriff am Menschen ist immer risikobehaftet. Wir sind auf den Input des Sektors angewiesen, was alles ohne größere Gefahr außerhalb der Krankenhäuser gemacht werden kann. Mit der letzten Gesetzesänderung wurden vier solcher Dienstleistungen definiert. Jetzt warten wir ab, ob die Nachfrage, für diese Dienstleistungen im "extrahospitalier" anzubieten, da ist. Bisher haben wir nur eine Anfrage des CHL erhalten, eine Poliklinik und ein Mammografie-Zentrum in Grevenmacher zu eröffnen. Ansonsten haben wir jedoch noch keine Anfrage erhalten, die im Gesetz definierten Dienstleistungen in einem außerklinischen Rahmen zu besetzen. Es gibt beispielsweise niemanden, der ein Dialysezentrum eröffnen will - obwohl wir aus dem Ausland wissen, dass solche Zentren gang und gäbe sind. Ich habe das Gefühl, dass unser Terrain zu klein ist, um viele Dienstleistungen liberal anzubieten.

Tageblatt: Sie vermuten, Luxemburg sei zu klein, um die Liberalisierung verschiedener Dienstleistungen stark auszuweiten. Der DP-Abgeordnete Gérard Schockmel meinte, es müssten auf Basis einer Bedarfsanalyse eventuell auch Anreize geschaffen werden, um bestimmte Dienstleistungen an spezifischen Orten anzusiedeln. Wäre das eine mögliche Herangehensweise?

Martine Deprez: Wir werden das Spitalgesetz mit den verschiedenen Dienstleistungen genauer überprüfen. In der kommenden "Carte sanitaire" wird genau aufgelistet werden, welche Leistungen wie oft an welchem Ort geleistet werden und an welchen Stellen Engpässe entstehen. Wenn unsere Krankenhäuser den Bedarf an spezifischen Dienstleistungen nicht abdecken können, ist das sicherlich eine Möglichkeit, dem Problem entgegenzutreten.

Tageblatt: Das Wort Liberalisierung ist nun schon öfters gefallen. Wie viel Liberalisierung verträgt Luxemburgs Gesundheitssystem?

Martine Deprez: Was verstehen wir eigentlich unter dem Schlagwort Liberalisierung? In drei von vier Krankenhauszentren arbeiten die Ärzte bereits liberal. Das Wort Liberalisierung finde ich deswegen in dem Kontext nicht passend. Ich würde eher zwischen "in-hospital" und "out-of-hospital" unterscheiden. Wie viel wir davon vertragen? Die Nachfrage ist derzeit einfach nicht da. Das Interesse scheint demnach eher gering zu sein.

Tageblatt: Die Regierung will den Krankenhäusern laut Koalitionsvertrag mehr Freiheiten bei der Anschaffung von Medikamenten geben. Gleichzeitig wurde von der Vorgängerregierung ein Logistikzentrum für medizinische Anschaffungen an-gedacht. Wird das Projekt noch aktiv weiterverfolgt - und wenn ja: Inwiefern ist das eine mit dem anderen zu vereinbaren?

Martine Deprez: Das Logistikzentrum liegt nicht auf Eis, jedoch gibt es noch einige Probleme aus der Welt zu schaffen. Das "Avant-projet de loi" scheint aber soweit fertig zu sein. Das Projekt wird also so umgesetzt werden, wie es im Koalitionsvertrag steht. Das ist aber tatsächlich kein Dossier, mit dem ich mich jetzt prioritär beschäftigt habe. Wie das mit dem Satz "mehr Freiheiten beim Einkauf der Medikamente" in Einklang gebracht werden soll, weiß ich demnach auch noch nicht genau. Ich denke, dass die "Centrale nationale d'achat et de logistique" (CNAL) die Grundbedürfnisse abdecken wird und einzelnen Abteilungen im Krankenhaus beim Einkauf spezifischer Medikamente mehr Freiheiten eingeräumt werden.

Tageblatt: Ein zentrales Wahlkampfversprechen der CSV war die "Maison médicale" im Osten. Dafür hat unter anderem auch Léon Gloden gekämpft. Jetzt soll anhand einer Machbarkeitsstudie die Durchführbarkeit des Projektes erst einmal geprüft werden. Warum wurde etwas versprochen, was möglicherweise überhaupt nicht umgesetzt werden kann?

Martine Deprez: Da müssen Sie Léon Gloden fragen.

Tageblatt: Es ist aber Ihre Aufgabe, den Koalitionsvertrag im Bereich Gesundheit umzusetzen.

Martine Deprez: Wenn etwas im Koalitionsvertrag steht, das nicht machbar ist, kann es nicht umgesetzt werden. Ich sage nicht, dass das bei der "Maison médicale" im Osten der Fall ist - jedoch prüfen wir gerade, ob diese "Maison médicale" überhaupt sinnvoll ist. Wir haben eine in Luxemburg-Stadt, in Esch und in Ettelbrück. Dann haben wir noch erweiterte "lignes de gardes" in den Alters-und Pflegeheimen eingeführt. Wir haben jetzt schon Probleme, die Bereitschaftsdienste in den "Maisons médicales" in der Hauptstadt und in Esch zu besetzen. Deswegen lehne ich mich nicht aus dem Fenster und verspreche eine "Maison médicale" im Norden und im Osten. Ich stehe jedoch in Kontakt mit einigen Bürgermeistern dieser Regionen. Die Nachfrage nach einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst ist nicht unbedingt gegeben. Stattdessen besteht ein Bedarf für Öffnungszeiten am Abend von 18 bis 22 Uhr oder in den frühen Morgenstunden. In immer mehr Gemeinden entstehen "Centres médicaux", in denen sich ein Zusammenschluss aus einigen Ärzten niederlassen möchte. Diese könnten dann auch mit verlängerten Öffnungszeiten funktionieren. Das wäre eine Zwischenetappe, um zu schauen, ob die Nachfrage damit gedeckt werden kann. Das erscheint mir sinnvoller, als dass ich eine "Maison médicale" eröffnen würde, für die ich jedoch kein Personal zur Verfügung habe.

Tageblatt: Der Fachkräftemangel ist ein reales Problem. Gibt es Ideen, dieses langfristige Problem anzugehen?

Martine Deprez: Wir stehen in Luxemburg im Vergleich zu einigen Gegenden aus dem Ausland noch richtig gut da. Bei Unterredungen mit Ärzten der FHL wurde mir gesagt, dass man die nötigen Kompetenzen meistens findet, auch wenn es manchmal etwas dauert. Weil wir in einem Großeinzugsgebiet leben und uns bei der Suche nicht nur auf unser Territorium beschränken müssen. Meistens stellen die Arbeitsbedingungen ein Problem dar. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese so gestalten, dass diese Personen auch im Beruf bleiben. Wir kennen jedoch die ganzen Arbeiterströme nicht. Wir versuchen diese besser zu verstehen, damit wir wissen, warum diese Personen sich gegen den Arbeitsstandort Luxemburg entschieden haben. Wir wollen in ungefähr einem Jahr mit dieser Arbeit fertig sein und hoffen dann ein besseres Verständnis vom Arbeitsmarkt zu haben. Zudem werden auf der Universität immer mehr Fortbildungen angeboten und Anstrengungen unternommen, diese Personen auch hier im Land zu behalten.

Tageblatt: Die Ausbildungen an der Universität Luxemburg werden im Optimalfall in fünf bis zehn Jahren ihre Früchte tragen. Wie sieht es kurzfristig aus?

Martine Deprez: Kurzfristig macht man in einem so großen Sektor wie der Gesundheit nicht viel. Das geht nicht von heute auf morgen.

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