Interview von Lydia Mutsch mit dem Lëtzebuerger Journal

"(...) Bislang hat sich in Luxemburg noch niemand ausführlich, sachlich und adäquat mit dem Thema Sexualität bei Senioren in all seinen Facetten befasst"

Interview: Lëtzebuerger Journal (Cordelia Chaton)


Lëtzebuerger Journal: Frau Mutsch, gibt es eine Altersobergrenze für Sex?

Lydia Mutsch: Eine Obergrenze für Sexualität im Alter gibt es sicher nicht. Verschiedene statistische Befragungen haben ergeben, dass das Verlangen nach Sexualität und der Befriedigung sexueller Wünsche bis in ein hohes Alter ausgelebt wird. Laut einer jüngeren Untersuchung waren in der Altersgruppe der 51- bis 60-Jährigen von der Gruppe der in einer Partnerschaft lebenden Männer noch 89 Prozent sexuell aktiv, die in Partnerschaften lebenden Frauen zu 85,6 Prozent. Die sexuelle Aktivität nimmt im Lauf der Jahre ab, in der Gruppe der über 80-Jährigen üben noch 30,8 Prozent der in einer Beziehung lebenden Männer ihre Sexualität aus, während noch 25 Prozent der Frauen innerhalb einer Beziehung sexuell aktiv sind. Es ist ein komplexes Thema, da gegebenenfalls auch Fragen wie beispielsweise Selbstbestimmung oder Demenz in die Diskussion einfließen können.

Lëtzebuerger Journal: Wie hängt Sexualität mit der Darstellung zusammen?

Lydia Mutsch: Bei den Darstellungen in den Medien, in Filmen und in der Werbung werden vor allem jüngere Menschen visualisiert und angesprochen. Erotik oder Sexualität spielt im Zusammenhang mit der Zielgruppe älterer Menschen kaum eine Rolle und ist in dieser Hinsicht kaum präsent. Es gibt ein Tabu, über Sex im Alter zu sprechen. Das ist schade, denn auch ältere Menschen haben ein Bedürfnis nach Zärtlichkeit und einem sexuell aktiven Leben.

Lëtzebuerger Journal: Wo könnten Menschen in Luxemburg denn einen Ort finden, um darüber zu reden?

Lydia Mutsch: Wir arbeiten gerade interministeriell an der Umsetzung des "Plan national de l'éducation sexuelle et affective". In diesem Rahmen planen wir ein Referenzzentrum wo ebenfalls Fragen zum Thema Sexualität im Alter angesprochen werden können. Bislang hat sich in Luxemburg noch niemand ausführlich, sachlich und adäquat mit dem Thema Sexualität bei Senioren in all seinen Facetten befasst. Mittlerweile arbeiten vier Ministerien, zusammen - und zwar die Ministerien für Gesundheit, Familie, Chancengleichheit und Erziehung - um gemeinsam konkrete Überlegungen anzustellen, wie wir vorgehen können.

Lëtzebuerger Journal: Wie sieht es mit dem Thema in der Praxis aus?

Lydia Mutsch: Das Thema Sexualität im Alter betrifft auch Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben. Leider kann es immer wieder vorkommen, dass das Pflegepersonal oder ältere Menschen in Einrichtungen sexuell belästigt werden. Wir müssen sowohl das Personal wie auch die älteren Menschen vor solchen Übergriffen schützen. Mit der Frage, des Umgangs mit Sexualität im Alter und wie die sexuelle Erfüllung gehandhabt wird, sind die Einrichtungen häufig überfordert.

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